
Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr.
Carena Rieger befreit ihre 7-jährigen Tochter Mira vom Nachbeatmungsgerät, hilft ihr in den Rollstuhl und beim Fertigmachen. Nachdem Mira für die Schule abgeholt wurde, fährt Carena auf die Arbeit.
Neben der intensiven Pflege ihrer lebenslustigen 7-jährigen Tochter, die aufgrund von fortschreitendem Muskelschwund vermutlich nie das Erwachsenenalter erreichen wird, ist Carena eine erfolgreiche Führungskraft.
In einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung leitet sie ein zwölfköpfiges Team, dass 28 Bewohner betreut. Sie führt Gespräche mit den Menschen und mit deren Angehörigen, mit Kostenträgern, mit den Nachbarn der Wohneinrichtung und mit Vereinen, die unterstützen.
Sie kümmert sich um die Personaleinsatzplanung und um Instandhaltungen, sie führt Bewerbungs- und Entwicklungsgespräche – kurz: Carena Rieger begleitet all die Höhen und Tiefen im Leben der Menschen und in ihrem Team. Ihr Arbeitgeber ist die St. Josefshaus Herten Betriebs-gGmbH, ein sozialer Träger aus dem südbadischen Rheinfelden mit ca. 1.700 Mitarbeitenden. Die Organisation betreibt Werkstätten und Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen, betreut pflegebedürftige Senioren und bietet eine große Palette an integrativen und ambulanten Unterstützungsangeboten an.
Das Mindset: Potenzial über Struktur
Die Vision von Birgit Ackermann, Geschäftsführerin des St. Josefshaus und Patrick Ball, Leiter Personalmanagement: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Wir wollen Familie und Beruf zusammenbringen.“
Dieser Fokus auf Vereinbarkeit ist nicht mehr nur in Pflegeberufen wichtig. Aufgrund des Fachkräftemangels brauchen deutsche Unternehmen aktuell alle Menschen, die arbeiten können – nicht nur die, die in Vollzeit vor Ort verfügbar sind.
Birgit Ackermann berichtet: „Wenn ich Bewerber oder Bewerberinnen vor mir sitzen habe, frage ich mich nicht mehr „Passt diese Person genau auf diese eine Stelle? Stattdessen lerne ich die Menschen kennen und überlege, welche Tätigkeiten zu ihnen passen und wie das in die Gesamtorganisation funktionieren kann.“
Dabei wird – so Patrick Ball – das Potenzial von Menschen bewusst über bestehende Strukturen gestellt; Führungskräfte und die Personalabteilung sind offen für kreative Lösungen.
Die Erfolgsfaktoren: Wertschätzung, Eigenverantwortung, Toleranz und starke Prozesse
Im St. Josefshaus sind ca. 60% Prozent der Mitarbeitenden in Teilzeit tätig. Gleichzeitig muss in vielen Einrichtungen eine 24/7-Betreuung gewährleistet werden. Das bringt eine hohe Komplexität mit sich – logistisch und menschlich.
Drei Aspekte tragen entscheidend zu einem funktionierenden Alltag und hoher Zufriedenheit bei:
- Die Grundhaltung: Jeder Mensch kann die Organisation bereichern.
Menschen mit unkonventionellen Lebensläufen oder familiären Verpflichtungen gelten nicht als „bedürftig“, sondern werden als starke Persönlichkeiten geschätzt, die das St. Josefshaus mit ihren Fähigkeiten bereichern.
Ob die alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, die hohe Resilienz und Anpassungsfähigkeit mitbringt, der FIFA-Stadien-Architekt, der nun seinen Lebenstraum mit dem Planen von smarten sozialen Wohneinrichtungen verwirklicht oder ein Führungstalent wie Carena Rieger, die am Schicksal ihrer Tochter überdurchschnittlich gewachsen ist und eine sehr hohe menschliche Reife mitbringt: All diese Menschen bringen die Organisation durch einzigartige Ideen und Fähigkeiten voran. - Eine von Offenheit, guter Kommunikation und persönlicher Weiterentwicklung geprägte Kultur, in der die Mitarbeitenden tolerant und eigenverantwortlich miteinander umzugehen. Zu dieser Kultur tragen die Führungskräfte entscheidend bei, indem sie ihre Teams unterstützen, sich zu reflektieren und persönlich zu wachsen.
Diese Kultur wird gezielt durch Weiterbildungen gefördert: In der Führungskräfte-Klausur stand 2023 das Thema „Servant Leadership“ im Fokus – eine vertrauensbasierte Führung, die unterstützt statt kontrolliert und so Eigenverantwortung, Selbstwirksamkeit und Engagement stärkt. - Prozesse und Strukturen, die es erlauben, die alltägliche Komplexität zu beherrschen.
Die Personalabteilung führt aktuell ein KI-Tool für die Dienstplangestaltung ein.
Das Ziel: Mehr Selbstbestimmung für Mitarbeitende, indem diese individuell ihre Verfügbarkeit für den Dienst angeben.
Die KI erstellt daraus einen optimalen Dienstplan, der Teamwünsche und pflegerische Anforderungen berücksichtigt. Ein echter Gamechanger – menschlich und logistisch.
Auch essenziell: Die gelebte „Plan-B-Kultur“ im St. Josefshaus: Engpässe werden im Team flexibel aufgefangen, etwa, wenn Carena Rieger aufgrund von Aufenthalten im Kinderhospiz zeitweise nicht vor Ort sein kann.
Die Ergebnisse: Umgesetzte Potenziale, hohe Zufriedenheit
Lohnt sich das? Die klare Antwort von Patrick Ball: Ja.
Im Jahr 2025 wurde das St. Josefshaus bei „Great Place to Work“ als fünftbester Arbeitgeber in Baden-Württemberg ausgezeichnet – als einziger sozialer Träger unter den Top-Platzierten.
- 78 % der Mitarbeitenden bewerten das St Josefshaus als guten Arbeitsplatz
- 69 % fühlen sich von ihren Führungskräften respektiert (Branchendurchschnitt: 34 %)
- 84 % der Mitarbeitenden vertrauen der obersten Führungsebene
Mit seiner wertschätzenden, stärkenorientierten Kultur ist das St. Josefshaus in Zeiten des Fachkräftemangels ein echter Wunscharbeitgeber – und zieht entsprechend Talente an.
Carena Rieger weiß, warum sie sich für das St. Josefshaus entschieden hat:
„In meiner Lebensrealität mit lebensverkürzt erkranktem Kind trage ich die Möglichkeit, weiter meine Führungstätigkeit ausführen zu können, als wahren Schatz mit mir. Es gibt mir neben unserem Schicksal und der Pflege etwas alleine für mich zurück. Meine Arbeit ist wie mein Hobby und eine Absicherung in meinem Leben.“
Fazit: New Work ermöglicht Zugang zu Talenten – abseits festgefahrener Strukturen
Ich liebe dieses Beispiel für gelebtes New Work, weil ich oft höre: „New Work funktioniert nicht in Berufen mit hohem Präsenzbedarf.“
Das St. Josefshaus zeigt das Gegenteil. Gelebte New-Work-Prinzipien wie
- flexible Arbeitszeitmodelle
- hohe Selbstbestimmung
- Eigenverantwortung auf fachlicher und menschlicher Ebene
- Führungskräfte als Unterstützer, nicht als Befehlsgeber
machen es zu einem attraktiven und motivierenden Arbeitgeber. So gewinnt die Organisation Menschen, die viel leisten wollen – aber nicht immer in Vollzeit oder auf geradlinigen Wegen.
Klar ist: Das passiert nicht von allein. Es braucht gezielte Gestaltung und Begleitung – auf Führungs- wie Mitarbeiterebene.
Gerade die Pflegebranche zeigt hier: New Work geht auch mit Präsenz – und bietet wertvolle Impulse für andere Organisationen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen.
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